Einsperren -
Relikt voriger Jahrhunderte
von Frank Wellmann
"Wer Menschen
einsperrt wie Tiere, darf sich nicht wundern wenn sie sich nachher auch wie
Tiere benehmen."
Hans Seibert, Chef der Justizvollzugsanstalt "Ulmer Höh", findet
deutliche Worte für seinen Verdruss.
"Wir können froh sein, wenn wir unsere Häftlinge nicht mit mehr sozialen
Schäden entlassen, als sie bei Haftantritt schon hatten."
Der liberale
Gefängnisdirektor und der Diplom-Sozialwirt Heiner Pauli nahmen am Dienstag vor
gut 100 Besuchern einer Informationsveranstaltung des Liberale Gesprächskreises
für Frauen "Lib'elle" in der Gaststätte Pumpernickel kein Blatt vor
den Mund.
"Hinter Gittern das Leben draußen lehren zu wollen, wäre die Quadratur
des Kreises", sagt Seibert, unzufrieden mit der heutigen Form des
Strafvollzugs.
55 Nationalitäten
zusammen.
Vorab lieferte er konkrete Zahlen: Die 650 Untersuchungshäftlinge im
Männerhaus "Ulmer Höh" gehören 55 Nationalitäten an. Auf 2,3
Gefangene kommt ein Bediensteter, darunter fünf Psychologen, zwölf
Sozialarbeiter, vier Theologen und ein Mediziner.
"Liberalen Strafvollzug finden alle toll, aber nur, solange alles gut geht, monierte Seibert, der die im Publikum geäußerte Kritik an zu freiem Strafvollzug mit Nachdruck zurückwies : Knast ist immer eine harte Sache, selbst wenn man die Handschellen mit Blumen behängt."
Für den Gefängnisdirektor ist das Phänomen "Einsperren" ein Relikt des vergangenen Jahrhunderts, das er am liebsten schnellstmöglich durch "offenen Vollzug" ersetzt sähe: "Nur wenn Gefangene tagsüber in normalen Betrieben arbeiten und nur zum Schlafen ins Gefängnis zurückkehren, lässt sich die Bildung einer gefährlichen Subkultur vermeiden und echte Resozialisierung ermöglichen."
Auch von der Wissenschaft
fühlt sich der Gefängnisdirektor im Stich gelassen :
Es wird viel Ideologie geliefert, aber keine Fakten.
Wir sollten uns schämen, das wir zwar den Mond erkunden, aber nicht kriminelle
Menschen behandeln wie Menschen.