Wenn Essen ein Problem ist 

ein Bericht von Gabriele Schreckenberg

Die Libellen sind dafür bekannt, brisante Themen in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken.

Am 24. April '97 hieß es: "Wenn Essen ein Problem ist - Bulimie, Mager- und Fresssucht." In Deutschland ist die Zahl essgestörter junger Frauen größer als die Alkoholkranker. Nicht nur diese Tatsache alarmiert, vielmehr gilt es, Hintergründe und Ursachen aufzudecken.

Vor ca. 70 Zuhörerinnen- darunter zahlreiche betroffene Mütter von magersüchtigen und bulimischen Töchtern - referierten 3 Mitarbeiterinnen von Kess NRW, dem Kontakt-& Behandlungszentrum bei Ess-Störungen mit Sitz in Düsseldorf.

Ess-Gestörte begleiten
Die Gründerin und Leiterin von Kess, Ruth Dahm, machte eindrucksvoll klar, dass viele verschiedene Faktoren die Entstehung einer Essstörung begünstigen können. Die Ärztin Andrea Icks und die Ernährungsberaterin Sigrid Brings gaben Einblicke in die therapeutische Arbeit: heranwachsende Mädchen, die sich auf ein Kindergewicht heruntergehungert haben, gehören ebenso zu ihren Patientinnen wie junge Frauen, die pausenlos viel essen und anschließend erbrechen.

Essen als Spiegel der Seele
Konflikte werden unterschiedlich bewältigt. Die Art zu essen ist eine Form der Bewältigung. Werbund und Gesellschaftsbild suggerieren eine perfekte und jugendlich-schlanke Frau. Der Druck, dem Bild zu entsprechen, ist für pubertierende Mädchen oft unerträglich; sie verweigern ihre Weiblichkeit und die Mahlzeiten bis selbst ihre Menstruation ausbleibt. Ein stiller Protest.

Auch sexueller Missbrauch in der Kindheit oder eine permanent diät-haltende Mutter kann Grund sein. Nicht zuletzt propagiert die Mode die superschlanke Frau, die es in der Realität kaum gibt. Die in den Frauenzeitschriften gängigen Frühjahrsdiäten sind ebenso uneffektiv wie oft sogar schädlich.

Symptome verbergen
Seit 1980 gibt es die Diagnose der Bulimie (Ess-Brechsucht). Magersucht und Esssucht sind weitere Formen von Essstörungen. Als typisches "Frauenleiden" werden Symptome oft vor Verwandten versteckt. Kess kooperiert mit Ärzten und Kliniken, im therapeutischen Netz werden erst Symptome akzeptiert, behandelt und später die Ursachen angegangen.

Tragen und Getragen werden
Auch Angehörige von Ess-Gestörten finden bei Kess Rat und Hilfe. Mütter und Töchter müssen immer noch lernen, nichts in sich "hineinzufressen", sondern den Mund aufzutun zum Protest: gegen ein überzogenes Gesellschaftsbild und die unrealistische Werbung. 

Genau mit Maß und Ziel muss das Zauberwort sein.

Kess NRW - Himmelgeister Str. 107 (in Salzmannbau) - 40225 Düsseldorf - Tel. & Fax 0211-335 044