Die neue U.S. Regierung: Kontinuität und Wandel

von Daniel E. Harris


Meine sehr geehrten Damen,

Ich freue mich über die Gelegenheit, heute zu Ihnen sprechen zu können. Da es eines meiner Hauptanliegen ist, den Dialog zwischen unseren Ländern zu fördern, betrachte ich das Gespräch auf Foren wie diesem als zentralen Bestandteil meiner Arbeit in Nordrhein-Westfalen. Ich danke für die Einladung und beglückwünsche die Organisatorinnen für über 10 Jahre erfolgreiche Arbeit mit einem Konzept, das gar nicht genügend Nachahmung finden kann.

Zu Beginn einer neuen Legislaturperiode mit einem neugewählten Präsidenten ist es nützlich, die bilateralen Beziehungen im Kontext der größeren, transatlantischen Gemeinschaft zu betrachten. Diese Beziehungen sind überwältigend positiv, auch wenn man manchmal den gegenteiligen Eindruck haben könnte: das unsere Gesellschaften nämlich auseinander treiben, und das eine wachsende Anzahl von Meinungsunterschieden auf den Gebieten Handel und Sicherheitspolitik, aber auch eine teilweise unterschiedliche Weltsicht unsere Zusammenarbeit gefährden. Während diese Streitigkeiten durchaus ihre Bedeutung haben, sind sie schlicht ein Bestandteil einer Beziehung, die so weitreichend und komplex ist wie die unsere. Was mir mehr Sorgen bereitet sind einige Tendenzen, die dazu führen könnten, das diese Meinungsverschiedenheiten übertrieben werden könnten.

Insbesondere bin ich darüber besorgt, das beide Partner das Verhältnis als zu selbstverständlich betrachten und wir dadurch eine Abnahme der Häufigkeit und Qualität des gemeinsamen Dialogs beobachten. Dazu kommt die Neigung zum Gebrauch von Stereotypen bei dem Versuch, die unterschiedlichen Standpunkte des Gegenüber zu erklären. Diese beiden negativen Trends hängen natürlich eng zusammen und verstärken sich gegenseitig. Keiner der beiden ist neu, beide haben jedoch seit dem Ende des Kalten Krieges an Bedeutung gewonnen. Zuvor hatte uns die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion ständig an unsere gemeinsamen Werte erinnert und uns ein Gefühl der Dringlichkeit vermittelt, wenn es darum ging, unsere Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg zu räumen. Seit 1989 tendieren unsere beiden Gesellschaften dazu, sich auf ihre inneren Angelegenheiten zu konzentrieren; bis uns die Taten von Despoten wie Saddam Hussein oder Slobodan Milosevic dazu gezwungen haben zu erkennen, das wir unsere gemeinsamen Werte nach wie vor aktiv verteidigen müssen. Auch die nie da gewesene Herausforderung der Globalisierung und des rapiden technologischen Wandels führt uns mit Nachdruck die Bedeutung unserer Partnerschaft vor Augen.

Einem politisch interessierten Publikum wie Ihnen brauche ich die existentielle Bedeutung des transatlantischen Verhältnisses nicht zu erklären, es ist jedoch hilfreich ein paar Beispiele anzuführen, die uns davor bewahren, unsere Partnerschaft einfach als gegeben anzusehen.

Die USA und die EU – einschließlich Deutschland als wirtschaftlich stärkstes EU-Mitglied – unterhalten die weltweit mit Abstand umfangreichsten Investitions- und Handelsbeziehungen. Das beidseitige Investitionsvolumen beläuft sich auf etwa 300 Milliarden Dollar, wobei jeder der beiden Partner jeweils etwa 3 Millionen Bürger des anderen beschäftigt. Das transatlantische Handelsvolumen bei Gütern und Dienstleistungen erreicht 500 Milliarden Dollar pro Jahr und einige Experten haben errechnet, das an die 20 Millionen Menschen ihre Beschäftigung unseren wirtschaftlichen Beziehungen verdanken.

Da 98% unseres Handels ohne Probleme vonstatten gehen, wäre es töricht, dieses solide Fundament durch unsere Streitigkeiten über die restlichen 2 %, wie zum Beispiel Bananen und hormonbehandeltes Fleisch zu beschädigen. Eine mögliche Ursache neuer Reibungen bereitet uns im Moment einige Sorgen: die EU Subventionen für den neuen Airbus. Es ist wichtig zu verhindern, das die Spannungen einen negativen Einfluss auf Diskussionen in anderen Bereichen, wie der Sicherheitspolitik haben. Diese Streitigkeiten beizulegen und Handelsbarrieren abzubauen ist eines der zentralen Anliegen der Regierung Bush.

Ich bin davon überzeugt, das sich unsere Wertesysteme in hohem Maße ähneln. Die verschiedenen Auffassungen, die wir zum Teil in sozialen Fragen haben, spiegeln lediglich unsere jeweiligen historischen Erfahrungen. Es ist von größter Bedeutung, diese Unterschiede nicht über zu bewerten. In der Tat gibt es das Argument, das unsere Gesellschaften auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene sich nicht von einander entfernen, sondern aufeinander prallen. Wir wissen heute so viel mehr von einander und besuchen einander so häufig, das wir uns irgendwie dazu berechtigt fühlen, innere Angelegenheiten des anderen zu kommentieren, die bis vor kurzem in bilateralen Gesprächen kein Thema waren. Daniel Hamilton, ein Wissenschaftler am ‘American Institute for Contemporary German Studies’ in Washington, beschreibt dieses Phänomen als "transatlantische Innenpolitik." Tatsächlich gibt es heute so etwas wie ein transatlantisches Meinungsspektrum.

Bevor ich mich also einer Betrachtung unseres bilateralen Verhältnisses zu Beginn einer neuen Legislaturperiode zuwende, möchte ich einen kurzen Blick auf die Bedeutung der transatlantischen Gemeinschaft und auf die beiden vorhin erwähnten Trends werfen – den Rückgang des gemeinsamen Dialogs und den Gebrauch von Stereotypen. Um diesen Trends entgegenzuwirken schlage ich eine Betrachtung bestimmter kultureller Unterschiede vor, die ihren Ursprung in der unterschiedlichen Geschichte unserer Länder haben. Ich möchte aber betonen, das Vielfalt eine Quelle der Kraft und nicht der Teilung sein kann, wenn wir uns ehrlichem und respektvollem Dialog verschreiben und uns die Zeit nehmen, die Erfahrungen des anderen auf einer tieferen Ebene zu verstehen.

Der erste und auffälligste Unterschied bei der Betrachtung unserer jeweiligen Geschichte ist, das die amerikanische wesentlich kürzer ist. Während wir die lange Tradition und tiefe Verwurzelung in Europa bewundern und respektieren, hat sich unsere kurze Geschichte in mehrerlei Hinsicht als vorteilhaft für Amerika erwiesen. Im späten 18ten Jahrhundert gegründet, hat die neue Nation sich eine Regierungsform gegeben, die auf den modernsten Ideen der Aufklärung basierte und die so eine Art Versuchslabor für Europäer wurde, die darum rangen, dem Absolutismus zu entkommen. Um auf eine Analogie aus dem Kommunikationsbereich zurückzugreifen, findet man heute die modernsten Telefonanlagen der Welt in Entwicklungsländern und vom Kommunismus befreiten Gegenden wie den Neuen Ländern in Deutschland. Diese Länder machen einen riesigen Sprung von alten, analogen Systemen zu der allerneuesten Spitzentechnologie, während die entwickelten Länder so viel in ihre Netzwerke investiert haben, das sie nur allmählich zu den neuen Technologien übergehen können. Im übertragenen Sinne haben die Gründungsväter der USA eine ebensolche Gelegenheit genutzt, um eine neue Regierungsform zu schaffen.

Ein weiterer Vorteil einer so kurzen Vergangenheit ist die Tatsache, das Amerikaner nur zwei große Kriege im eigenen Land erleiden mussten: die Revolution und den Bürgerkrieg. Die Wunden des Bürgerkrieges und der Wiederaufbau des besiegten Südens hatten noch weit über hundert Jahre später negative Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und sind bis heute nicht richtig verheilt. Aber wenigstens gibt es bei uns keinen Streit über Kriege, die im Zeitalter der Reformation oder im Mittelalter gefochten wurden! Kurz gesagt gründeten die Amerikaner ihr Experiment der Regierung auf europäische Ideen, ließen dabei aber einen Großteil des europäischen Ballastes zurück. Wie der deutsche Künstler Walter Koenigstein es ausgedrückt hat: "Es gibt einen Unterschied zwischen Amerikanern und Europäern, und der ist, das die Amerikaner nie geglaubt haben, die Erde sei eine Scheibe."

Ein zweiter wichtiger Unterschied zwischen der europäischen und der amerikanischen Geschichte ist, das die Menschen, die nach Amerika kamen, mehr persönliche Freiheit und bessere Chancen suchten, sei es im religiösen, politischen oder wirtschaftlichen Bereich. Sie neigten dazu, misstrauisch gegenüber der Regierung und den Gesetzen zu sein und zogen die persönliche Freiheit der Sicherheit vor. In einem weiten, offenen Land gab es genügend Raum und Möglichkeiten und die Regierung konnte nur die grundlegensten Dienste anbieten. Die Bürger mussten sich aufeinander verlassen und nicht auf die Regierung. Der Unterschied zur europäischen Geschichte scheint offensichtlich, aber der deutlichste ist vielleicht das Maß, in dem Kriege, Revolutionen und soziale Unrast die Wendepunkte europäischer Geschichte bilden. Europäer legen so verständlicherweise großen Wert auf Stabilität, Sicherheit und Solidarität. Sie erwarten von ihren Regierungen diese durch Gesetze, Verordnungen und ausgiebige soziale Hilfsprogramme zu gewährleisten. Als Folge der zwei verheerenden Weltkriege verlassen sie sich zunehmend auf multilaterale Ansätze bei der Sicherung des Friedens und des Wohlstandes.

Und hier kommen wir glaube ich zu einem Verständnis der grundlegenden Unterschiede zwischen Europäern und Amerikanern und zwar das Amerikaner weiterhin ein höheres Maß an persönlicher Freiheit und eine lockerere Sozialstruktur als Europäer vorziehen, auch wenn das weniger Sicherheit in Form von Gesetzen und sozialer Fürsorge bedeutet. Amerikaner erwarten weniger von ihrer Regierung und sträuben sich gegen deren Einmischung. Schon der damals revolutionäre Thomas Payne hat dazu gesagt: "That government is best which governs least." Die beste Regierung ist die, die am wenigsten regiert. Es gibt zum Beispiel in den Vereinigten Staaten keinen nationalen Ausweis wie den Personalausweis und eine Vorschrift, sich bei jedem Umzug polizeilich melden zu müssen, würde Amerikaner in Massen auf die Strasse treiben!

Auch auf internationaler Ebene haben Amerikaner beim Aufbau und der Unterstützung Dutzender multilateraler Organisationen mitgeholfen, behalten sich jedoch die Möglichkeit und das Recht vor, unabhängig zu agieren, wenn es nötig ist. Unsere unterschiedlichen historischen Erfahrungen treten auch bei den Diskussionen innerhalb der NATO zum Vorschein. Die amerikanische Erfahrung an der Grenze zum Westen hat in uns einen Tatendrang entstehen lassen; europäische Debakel wie der Erste Weltkrieg haben die Europäer dagegen gelehrt, das das Ergebnis hastiger Fehleinschätzungen in der Katastrophe enden kann.

Dieser Eintausch der Sicherheit für mehr persönliche Freiheit und von Vorsicht gegen Tatendrang ist vielleicht der grundlegendste kulturelle Unterschied zwischen Europa und den USA. Viele unserer politischen Meinungsverschiedenheiten basieren darauf.

Ich glaube auch, das wir aufgrund dieser verschiedenen Gewichtung anders mit den Herausforderungen des rasanten Wandels umgehen, der von der Globalisierung und dem technologischen Fortschritt vorangetrieben wird.

Worauf ich hinaus will, ist ,das Wandel für Amerikaner nicht unbedingt leichter ist als für Europäer; wir aber mussten ihn annehmen, da wir nicht von unserer Regierung erwarten, das sie uns vom Wandel abschirmt. Bei der schmerzhaften Umstrukturierung der 80er Jahre zum Beispiel hat die Regierung auf Bundesebene weder den Firmen verboten, Arbeitsplätze zu reduzieren, noch hat sie langfristige Subventionen für alte Industriezweige geschaffen. Gleichwohl hat unsere Regierung, vor allem auf der Länderebene, sich angestrengt durch Umschulung und Anwerbung neuer Investoren die Auswirkungen dieser Umstrukturierung zu mildern. Das Resultat war, das unsere Firmen den Übergang vollzogen haben von den hierarchischen Strukturen, die für das 19. und teilweise das 20. Jahrhundert geeignet waren, zu den viel flacheren Strukturen, die der "New Economy" entsprechen. Dieser Strukturwandel hat auch der Verwirklichung der Management- Theorie des "Empowerment" einen großen Schub gegeben. Demnach sollten Entscheidungen so nah wie möglich an der Stelle getroffen werden, wo sie umgesetzt werden müssen. Arbeiter werden in den Entscheidungsprozess unmittelbar am eigenen Arbeitsplatz einbezogen. Seit Anfang der 90er Jahre werden Arbeitnehmer zunehmend auch über Aktienoptionen an Firmen beteiligt.

Amerika hat also das neue Jahrhundert begonnen mit einer "Open Architecture"- Gesellschaft, die großen Wert auf Vielfalt, Innovation, Tempo, Dienstleistung und Flexibilität legt. Als "Risk Takers" ziehen Amerikaner schnellen Fortschritt vor; Probleme werden unterwegs gelöst. Immer mehr Amerikaner nehmen Wandel als Konstante und sind sich bewusst, das sie sich ständig weiterbilden müssen, um mitzuhalten. Die "Communications Workers of America", eine große Telekommunikations-Gewerkschaft, hat zum Beispiel statt mehr Lohn oder kürzere Arbeitszeit, Unterstützung für Weiterbildung verlangt. Ein Arbeitnehmer darf und soll sich für andere Tätigkeiten, wenn nicht sogar auf eine ganz neue Karriere, vorbereiten.

Globalisierung

Globalisierung und rasanter Wandel stellt die Europäer vor eine besondere Herausforderung, da sie Werten wie Sicherheit, Stabilität und Solidarität größeres Gewicht beimessen als die Amerikaner. Außerdem neigen Europäer eher dazu, sich auf die Regulierungs- und Ordnungsfunktion des Staates in der Gesellschaft zu verlassen. Was aber, wenn der Staat in seinem Regulierungsbestreben mit der Geschwindigkeit des Wandels nicht immer Schritt halten kann? Im Gegensatz dazu vertrauen Amerikaner eher auf die Kräfte des freien Marktes und erwarten von der Regierung hauptsächlich die Gewährleistung eines fairen und freien Wettbewerbs. Hier bedeutet dann weniger gesetzliche Regulierung schnellere Anpassungsfähigkeit im Angesicht raschen technologischen Wandels.

An dieser Stelle muss angemerkt werden, das sich Europa in Bezug auf Strukturen und Einstellungen rapide verändert. Zum Beispiel entstehen Risikokapitalmärkte um eine wachsende Anzahl dynamischer junger Unternehmer mit Kapital zu versorgen. Ich bin von der fortschrittlichen Denkweise politischer und wirtschaftlicher Führungspersönlichkeiten, die ich hier in Nordrhein-Westfalen kennen gelernt habe, beeindruckt. Ihre Ideen werden in Programme umgesetzt, die Innovation fördern und einen Zuwachs an Arbeitsplätzen in der Hightech Industrie bedingt haben. Die Frage bleibt aber, ob der Wandel in Europa tiefgreifend und schnell genug ist, um mit Amerika mitzuhalten und um den größten Nutzen aus der Globalisierung und der wachsenden Geschwindigkeit technologischen Fortschritts ziehen zu können. Gleichzeitig bin ich mir der europäischen Kritik an den Vereinigten Staaten als einem Ort bewusst, wo der "Turbo Kapitalismus" den Talentierten und Wendigen große Gewinne bringt, jedoch zu viele andere zurücklässt.

Wir sind uns natürlich bewusst, das wir für ein gewisses Maß an "Fairness" in unserer Gesellschaft sorgen müssen. Zu den im zurückliegenden Wahlkampf am heißesten diskutierten Themen gehörten daher die Ausbildung, die Krankenversorgung, die Sicherung der Renten und die Reform der Sozialversicherung. Dieses sind Herausforderungen, vor denen unsere europäischen und japanischen Partner ebenso stehen. Von zentraler Bedeutung bei dieser Diskussion ist die Frage: "Welche Rolle spielt der Staat?"

Die Rolle der Regierung

Wie bereits erwähnt erwarten Amerikaner weniger von ihrer Regierung als Europäer, es gibt aber auch eine andauernde Debatte in den USA darüber, inwieweit insbesondere die Bundesregierung regulieren und unterstützen sollte. Besonders unter einer Republikanischen Administration sieht die amerikanische Regierung ihre wirtschaftspolitische Verpflichtung hauptsächlich in der Festlegung der grundlegenden Spielregeln und Rahmenbedingungen und greift so wenig wie möglich in das Marktgeschehen ein. Ebenso wird den Bürgern ein etwas großmaschigeres Sicherheitsnetz geboten. Dieses Verhältnis zwischen Staatsbürger und Regierung erlaubt und zwingt sogar den Einzelnen sich an sozialen und wirtschaftlichen Wandel anzupassen.

Wir sind in den letzten zehn Jahren zu der Überzeugung gelangt, das Amerikaner eher von freien als von überregulierten Märkten profitieren, solange wir sie mit den nötigen Instrumenten versorgen, um sich entsprechend der Möglichkeiten zu wandeln und anzupassen. So haben beispielsweise in dem Zeitraum von Januar 1995 bis Dezember 1999 fast 16 Millionen Amerikaner ihren Job verloren. Im selben Zeitraum ist jedoch die Arbeitslosenquote von 7,5 % auf 3,9 % zurückgegangen. Seit 1993 sind die Realeinkommen um 6,9 % gestiegen und Statistiken zeigen, das die unteren Einkommensgruppen von diesem Zuwachs profitiert haben. Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen nehmen an, das die junge Generation von heute mehrere Stellen und wahrscheinlich auch mehrere Berufe in einem Leben haben wird.

Es gibt einen wachsenden Konsens darüber, das es in einer Zeit rasanten technologischen Wandels und damit verbundenen sozialen Veränderungen eine der wichtigsten Aufgaben einer Regierung ist, ihre Bürger darauf vorzubereiten sich anzupassen und Nutzen aus diesem Wandel zu ziehen. Ausbildung wird hier als der Schlüssel zum Erfolg gesehen. Präsident Bush hat sie zu seiner obersten Priorität erklärt, und ich zitiere:

"…zu viele Kinder in Amerika werden durch niedrige Erwartungen, Analphabetismus und Selbstzweifel benachteiligt. In einer sich ständig verändernden Welt, die von der Arbeiterschaft zunehmend komplizierte Fertigkeiten erwartet, werden immer mehr Kinder buchstäblich zurückgelassen. Das muss nicht so sein. Parteiübergreifende Lösungen sind greifbar nah. "

Präsident Bush hat wiederholt betont, das "kein Kind zurückgelassen werden sollte."

In Sachen Ausbildung gibt es tatsächlich einen parteiübergreifenden Konsens in den meisten Punkten.

Wie sieht die Rolle der amerikanischen Regierung bei der Sozialhilfe aus? Präsident Bush hat in seiner inspirierenden Antrittsrede daran erinnert, das Amerikaner sich nicht durch Blut oder Boden verbunden fühlen, sondern durch gemeinsame Ideale. Das größte dieser Ideale ist ein "sich entfaltendes amerikanisches Versprechen, das jeder dazugehört, jeder eine Chance verdient und das niemals ein unbedeutender Mensch geboren wurde".

Anders gesagt, es ist unser Ideal, das jeder die gleiche Chance hat, sein Potential zu verwirklichen. Insofern soll jeder vor dem Gesetz gleich sein und jedes Kind eine passende Ausbildung erhalten. Wir haben auch verstanden, das Armut eine Falle sein kann, aus der sich auch motivierte Menschen nur schwer befreien können. Präsident Bush hat dazu in seiner Rede auch gesagt: "In der Stille des amerikanischen Bewusstseins wissen wir, das tiefe, andauernde Armut des Versprechens unserer Nation nicht würdig ist." Unsere Wohlfahrtsreformen versuchen, diesen Menschen pragmatische Hilfe zu geben, um aus eigener Kraft aus der Armutsfalle zu klettern, statt ihre Abhängigkeit langfristig zu subventionieren. Dies liegt im Einklang mit unserer Tradition Menschen zu helfen jedoch von Ihnen zu erwarten, das sie größtmögliche Verantwortung für sich selbst übernehmen

Obwohl die Hauptverantwortung für die Finanzierung der Sozialversicherung bei der Bundes- und Landesregierung liegt, ist die zentrale Rolle, die dabei von privat finanzierten Organisationen gespielt wird, nicht zu übersehen. Ein Ergebnis unserer Geschichte ist es, das es Tausende wohltätige Organisationen gibt, die von privaten Spenden finanziert werden und eine Reihe von sozialen Leistungen anbieten, welche Europäer als Verantwortung des Staates sehen würden. Amerikaner haben nach neuesten Statistiken im Jahre 1999 190 Milliarden Dollar gespendet, über 75 % davon stammt von privaten Spendern.

Präsident Bush will die Rolle der privaten Organisationen erweitern, indem er die sozialen Fürsorgeprojekte glaubensorientierter Organisationen fördert. Seine Begründung dafür ist deren hervorragende Bilanz innovativer, effektiver Arbeit bei der Betreuung einer breiten Palette sozialer Bedürfnisse. Sein angekündigter Plan würde unnötige Barrieren auf Bundesebene für bewährte Programme aus dem Weg räumen, größere Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen stimulieren und ein neues Modell öffentlich-privater Zusammenarbeit entstehen lassen. Aufgrund unserer verfassungsmäßigen Trennung von Kirche und Staat hat der Plan des Präsidenten eine lebhafte Debatte hervorgerufen; der Präsident ist jedoch davon überzeugt, das man hier eine Lösung findet und hat einen Arbeitsstab im Weißen Haus zur Bearbeitung dieses Konzepts gegründet. In diesem Sinne hat er alle Amerikaner dazu aufgerufen, die Tradition des bürgerschaftlichen Engagements fortzusetzen.

Trotz des zunehmend mobilen Charakters unserer Gesellschaft gibt es nach wie vor eine starke Tradition freiwilliger Dienstleistung. Bürgerschaftlicher Stolz bleibt das Rückrat erfolgreicher Städte und Gemeinden. Präsident Bush hat es so formuliert: "Was der Einzelne tut ist ebenso wichtig wie etwas, das eine Regierung tut. Ich bitte Sie, ein gemeinsames Gut zu finden, dass über die persönliche Zufriedenheit hinausgeht; Reformen gegen Angriffe zu verteidigen; Ihrer Nation zu dienen, angefangen bei Ihren Nachbarn. Ich bitte Sie Bürger zu sein: Bürger, nicht Zuschauer; Bürger, nicht Untertanen; verantwortliche Bürger, die aktive Gemeinden und eine Nation von Charakter aufbauen."

Außenpolitik

Nun möchte ich ein paar Worte über Amerikas Engagement auf internationaler Ebene sagen. Lassen Sie mich zunächst die grundsätzliche Kontinuität der amerikanischen außenpolitischen Interessen betonen. Wir bleiben weiterhin der Demokratie, der freien Marktwirtschaft, der starken nationalen Verteidigung und starken Allianzen verpflichtet. Während sich die Schwerpunkte unter den einzelnen Administrationen verschieben können, haben wir in den letzten 50 Jahren keine radikale außenpolitische Richtungsänderung erlebt.

Einige Schwerpunktverschiebungen haben sich bereits angedeutet. Beispielsweise hat der neue Präsident bereits deutlich gemacht, dass er gedenkt, im Einvernehmen mit dem Kongress die Entwicklung eines Raketenschutzschilds voranzutreiben.

Präsident Bush hat das Raketenschutzschild als eine oberste Priorität für die Regierung festgelegt. Es ist das erklärte Ziel, gemäß den besten Optionen und so früh wie möglich einen wirksamen Schutz gegen Raketengeschosse aufzustellen. Dieser muss in der Lage sein, nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch unsere Freunde, Verbündeten und unsere in Übersee stationierten Truppen zu schützen. Der Präsident hat außerdem deutlich gemacht, dass er hierzu wesentliche Verhandlungen mit den Verbündeten führen wird. Der Außen- und Verteidigungsminister unterstützen solche Verhandlungen ebenfalls.

Die USA sind nicht daran interessiert, ein Verteidigungssystem in Betrieb zu nehmen, welches einen Keil zwischen uns und unsere Freunde und Verbündete treiben würde. Vielmehr sehen wir ein Raketenschutzschild als notwendigen Bestandteil der Abschreckung und als willkommene Gelegenheit, einen gemeinsamen Ansatz zur Verbesserung der Sicherheit für alle zu finden.

Die Bedrohungen, denen wir uns heute gegenüber sehen, unterscheiden sich grundsätzlich von den Bedrohungen der Vergangenheit. Insbesondere sehen wir uns mit einer Gruppe von Staaten konfrontiert, die sehr unterschiedlich, sehr schwer einzuschätzen und besonders risikofreudig sind, und sich darüber hinaus mit immer fähigeren Massenvernichtungswaffen und Langstreckenraketengeschossen ausgerüstet haben.

Diese Staaten unterhalten Massenvernichtungswaffen und Raketen als Instrumente des Terrors, der Erpressung und Aggression. Sie sehen diese Waffen als nutzbare militärische Instrumente gegen ihre Nachbarn. Diese Waffen sind außerdem ihr Mittel zur Bekämpfung unserer konventionellen Streitkräfte und um unsere Koalitionen und Allianzen aufzuspalten. Als Konsequenz daraus ist die Wahrscheinlichkeit, dass solche Waffen tatsächlich gebraucht werden, heute größer als während des Kalten Krieges.

Ein wirksames Raketenschutzschild – das niemanden bedroht – wird den Stellenwert, den diese Staaten ihren Raketen als Transportmittel für Sprengköpfe beimessen, vermindern und so gleichzeitig unserem Ziel der Nichtweiterverbreitung dienen. Am wichtigsten ist der Schutz gegen Angriffe auf unsere Truppen, unser Land und unsere Verbündeten.

Wir unternehmen momentan eine grundlegende Überprüfung unserer Verteidigungsstruktur, einschließlich der Anforderungen an wirksame Verteidigungs- und Angriffsmittel. Wir werden unsere Verbündeten darüber informieren. Die Regierung hat deutlich gemacht, dass die Einzelheiten eines Raketenschutzschildes, wie Zeitplan, Aufbau etc. erst im Anschluss an die vom Präsidenten angeordnete Überprüfung der Verteidigungsstruktur festgelegt werden.

 

Ein weiteres zentrales Element amerikanischer Sicherheitspolitik bleibt die feste Einbindung in die transatlantische Allianz. Wir glauben an die NATO und betrachten sie als tragende Säule unserer Beziehung zu Europa. Welchen Wert die NATO besitzt, kann man daran erkennen, dass sie weiterhin Garant von Stabilität in Europa und besonders auf dem Balkan ist. Die NATO wird in der Zukunft ebenso relevant sein, wie sie es in der Vergangenheit war. Unsere europäischen Verbündeten streben sowohl eine Modernisierung ihrer nationalen Streitkräfte, als auch die Etablierung einer europäischen Verteidigungskapazität an. Wir unterstützen diese Bemühungen, stärken wir dadurch doch die europäische Säule der NATO und damit die NATO insgesamt. Bei aller Zustimmung gibt es auf Seiten der amerikanischen Regierung jedoch ernsthafte Bedenken, ob es in den Ländern der EU die hierfür dringend notwendige Bereitschaft gibt, die Verteidigungshaushalte entgegen der momentanen Praxis drastisch zu erhöhen. Natürlich müssen auch alle Veränderungen der Allianz in einem Geist des Konsenses vorgenommen werden und dürfen weder ihre Stärke, Stabilität und Effektivität, noch ihren inneren Zusammenhalt schwächen.

Präsident Bush hat gesagt: "Wir werden bei der Arbeit am Frieden kooperieren. Wir werden zu einem frühen Zeitpunkt und ganz offen unsere NATO Bündnispartner konsultieren. Wir werden von ihnen dasselbe erwarten. In der Diplomatie, in der Technologie, in der Raketenverteidigung, in der Kriegsführung, und, am wichtigsten, in der Verhinderung von Kriegen, müssen wir wie einer zusammenarbeiten."

Es ist im Zeitalter der Globalisierung unmöglich von Außenpolitik zu sprechen und dabei die eng damit zusammenhängenden Bereiche Wirtschaft und Handel außer Acht zu lassen. Wie im Falle der Außen- und Sicherheitspolitik zeichnet sich auch die amerikanische Wirtschafts- und Handelspolitik durch eine deutliche Kontinuität aus. In der Praxis bedeutet dies, das die amerikanische Handelspolitik in den letzten 10 Jahren maßgeblich dazu beigetragen hat, die Weltmärkte weiter zu öffnen und das weltweite Handelssystem auszubauen und zu verstärken. Durch Handelsabkommen, welche die Mitgliedsländer zu strengen Richtlinien über geistiges Eigentum verpflichten und die Zölle auf Güter und Dienstleistungen der Informationstechnologie beseitigen, haben wir geholfen, das Fundament für die New Economy des 21sten Jahrhunderts zu legen.

Wirtschaftliche Reformen, die freie Märkte schaffen, wirken nicht nur als Marktöffner sondern begünstigen auch Rechtsstaatlichkeit, politische Stabilität und die Demokratie. Die Revolution der Informationstechnologien hat diesen Trend zu Transparenz und Reformen noch beschleunigt.

Offene Märkte, offene Gesellschaften, der freie Austausch von Informationen und Ideen, das Wachstum der privaten Wirtschaft sind nicht zu trennen vom Wachstum der Volkswirtschaften, der Mittelklasse und der bürgerlicher Freiheiten. Es sind diese Prinzipien und nicht Protektionismus und Isolationismus, die zu sozialer Stabilität und einem gesellschaftlichen Grundkonsens beitragen. Es sind diese Prinzipien, die der Freiheit und dem privaten und öffentlichen Wohl dienen.

Im wirtschaftlichen Bereich wurde George Bushs Entscheidung für Robert Zoellick als amerikanischem Handelsgesandten mit Kabinettsrang in den Hauptstädten der Welt als ein Zeichen dafür begrüßt, daß der neue Präsident die Freiheit des Welthandels zu fördern gedenkt. Dies ist besonders für die transatlantische Gemeinschaft von Bedeutung, innerhalb derer wir durch gemeinsamen Handel und gegenseitige Investitionen immer stärker verwoben sind. Herr Zoellick ist übrigens kein Unbekannter in Deutschland, wo man sich hauptsächlich wegen seiner herausragenden Rolle bei den 2+4 Verhandlungen an ihn erinnert. Während er ein Kenner Europas ist, wurde bei der Anhörung Zoellicks vor dem Kongress bereits sehr deutlich, daß sich das handelspolitische Augenmerk der neuen Regierung zunächst auf die eigene Hemisphäre richten wird, insbesondere auf das Zustandekommen einer gesamtamerikanischen Freihandelszone.

Auf der Agenda für die neue Regierung befinden sich eine Reihe wichtiger handelspolitischer Themen, die unmittelbare und langfristige Entscheidungen erfordern.

Allein im nächsten Jahr werden dem Kongress mehrere wichtige handelsbezogene Gesetze zur Beratung vorgelegt. Darüber hinaus gelangen im kommenden Jahr viele der langfristigeren Verhandlungen an kritische Punkte. Von größter Bedeutung für unsere europäischen Partner sind hier sicherlich die voranschreitenden WTO Verhandlungen über eine umfassende Reform des weltweiten Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Dienstleistungen, die sich nach dem Wunsch der Regierung Bush zu einer eigenständigen Verhandlungsrunde ausweiten sollen. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Aussicht auf Aufnahme Russlands in die WTO.

Umwelt

Noch ein wichtiger Punkt auf der Liste der gemeinsamen Themen ist die Umwelt. Auf diesem Themenfeld gibt es leider heftige Streitigkeiten. Die in Europa weit verbreitete Annahme, das die USA für das Scheitern der Konferenz in Den Haag verantwortlich waren, wird von der amerikanischen Regierung keineswegs geteilt. Die Clinton Administration wollte unbedingt eine Einigung und hat kreative Lösungen und Kompromisse angeboten. In den letzten Stunden der Konferenz sah es danach aus, als könnte eine Einigung zu Stande kommen, die EU Delegation hat eine solche jedoch abgelehnt. Die Regierung Bush betrachtet den Klimawandel als ein ernstes Thema. Jüngste wissenschaftliche Veröffentlichungen, die auf ein erhöhtes Risiko einer wesentlichen Klimaveränderung mit weitreichenden Konsequenzen deuten, werden in Washington sehr genau verfolgt. Die Administration hat mit einer tiefgreifenden Überprüfung der amerikanischen Position zum internationalen Klimawandel begonnen. Um für die nächste Verhandlungsrunde in Bonn besser vorbereitet zu sein, hat die amerikanische Regierung einen Aufschub beantragt und man hat sich mit den anderen Teilnehmern auf den 16-27 Juli geeinigt.

Meine sehr geehrten Damen, ich habe versucht, Ihnen einige Einsichten über Wandel und Kontinuität am Anfang einer neuen Administration zu vermitteln. Natürlich war es nicht möglich über alle Themen zu sprechen, dafür bleibt uns nachher mehr Zeit für einen ausführlichen Meinungsaustausch. Um meine Hauptbotschaft zusammenzufassen, würde ich Folgendes betonen: was uns verbindet ist wesentlich wichtiger, als was uns trennt. Unsere Wirtschaft, Gesellschaften und Sicherheitsstrukturen sind so verwoben, dass wir nicht auf einander verzichten können. Das wir Meinungsverschiedenheiten haben, ist nicht nur normal, sondern sogar hilfreich. Vielfalt stärkt unsere transatlantische Gemeinschaft. Wir haben viel von einander zu lernen. Wir müssen uns bemühen, unsere Gemeinsamkeiten zu schätzen und unsere Unterschiede nicht über zu bewerten. Den Gebrauch von Stereotypen wird uns nur hindern die "Best Practices" von einander zu erkennen und umsetzen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch betonen, das wir auch über unsere transatlantische Gemeinschaft hinaus eine große Verantwortung haben. Die Vereinigten Staaten, Kanada und die Europäische Union vereinen auf sich einen Großteil der Wirtschaftskraft der Welt. Außerdem sind sich unsere Werte- und Rechtssysteme, so wie unser Verständnis der Menschenrechte wesensverwandter als mit jedem anderen Teil der Erde.

Wir können einen enormen positiven Einfluss ausüben, wenn wir uns gemeinsam der Förderung des internationalen Handels, dem Kampf der Armut auf der Welt und dem Schutz der Menschenrechte und der Verteidigung des Friedens verschreiben. Daniel Hamilton hat es wie folgt ausgedrückt:

" Wenn Europa und Amerika sich einig sind, ist die transatlantische Beziehung der Antriebsmotor für nahezu alle Themen von weltweiter Bedeutung. Wenn wir uns uneinig sind, sind wir die globale Bremse… Die Tagesordnung der transatlantischen Beziehung wird zunehmend davon bestimmt, was Europa und Amerika in der Welt tun können und müssen, um der Bandbreite der Herausforderungen zu begegnen, die keine Nation alleine – auch nicht eine "Hyper Puissance" – schultern kann."

Amerika braucht also ein starkes Deutschland und ein starkes Europa als Partner für ein 21. Jahrhundert des Wohlstandes und der Gerechtigkeit.

Ich freue mich, dass Sie durch Ihre Anwesenheit hier heute Abend Ihr Interesse an einer Stärkung der transatlantischen Beziehung bekundet haben.