Erfahrungen eines heißen Sommers
Deutsche Soldaten in Bosnien-Herzegowina 

ein Bericht von Gabriele Schreckenberg

Das Thema des abendliche Vortrages im Industrieclub Düsseldorf am 19 Februar '97 bewies einmal mehr das breit gefächerte Interesse der Libellen, dem Düsseldorfer Gesprächsforum für Frauen. Schon die Einladung klang vielversprechend: Roland Kather, Generalstabsoberst des 2. Deutschen Heereskontingentes der Bundeswehr (WBK III/Panzer-Division), berichtete anschaulich über Erfahrungen seiner Einheit beim Einsatz im Gebiet Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas von April bis August 1996.

In Teilen des ehemaligen Jugoslawiens sind auch im zweiten Friedensjahr internationale Militäreinheiten noch erforderlich. Die Bundeswehr beteiligte sich zum ersten Mal mit Hilfeleistungen: Kriegsfolgen mussten beseitigt, der Frieden gesichert und der wirtschaftliche Wiederaufbau eingeleitet werden. Das 2. Kontingent war mit 2640 Soldaten - davon 34 Sanitätssoldatinnen - vor Ort. Noch im vergangenen Jahr waren sechs Monate Ausbildung ein Minimum um einsatzfähig zu sein. Schon jetzt sind zwölf Monate nötige Voraussetzung, um an solchen Einsätzen teilzunehmen.

Vier Monate Aufenthalt in Krisengebieten Bosnien-Herzegowinas konnten der Generalstabsoberst einem zahlreich erschienenen Publikum in den Räumen des Industrieclubs mittels vielseitigem Bildmaterial nahe bringen. Stationierungsorte wie Bonkovac-Sibenik wurden per Video gezeigt und Aufgaben der Einheit wortgewandt erläutert. Drei Hauptaufgaben hatten die deutschen Truppen zu erfüllen:
1. Unterstützungsarbeit der Pioniere 
2. Durchführung von Straßen- und Lufttransporten 
3. Einrichtung von Lazaretts

Unterstützungsarbeit der Pioniere
Der Zugang zu Straßen, Flugplätzen und anderen zentralen Punkten musste sichergestellt werden. Neue Straßenzüge und Häuser wurden mit tatkräftiger Hilfe der deutschen Einheiten gebaut. Auch der Neubau von Brücken und Pipelines war an vielen Stellen unverzichtbar. Ausgewiesene Spezialisten zur Bedienung der Geräte wie von Hydraulikbaggern wurden eignes von der Bundeswehr hierfür ausgebildet. Mit dem Minenräumpanzer vom Typ "Keiler" wurden die ersten Tests durchgeführt - erfolgreich. Auch sogenannte "Elefantenfüße" (Mineräumer, an Panzern angehängt) kamen zum Einsatz.
Beispiele waren hier das Flugfeld in Mostar, das sie entmint haben oder der Brückenbau der Donji Bratinje in Goradze. Eindrucksvoll konnte das Video veranschaulichen, wie im Märklin-Baukasten ein stählernes Verbindungsglied die zerstörten Brückenreste wieder vereinte. Die Rekrutierung von einsatzfähigen Soldaten - so Kather - war kein Problem; viele Abenteuerlustige hatte sich gemeldet, die nach gründlichen Check-up ausgewählt wurden.

Durchführung von Straßen- und Lufttransporten
Mittels modernster gepanzerter Containertransporte wurde von Maschinen bis Pampers alles dorthin geliefert, wo es nötig war. Gepanzerte Hubschrauber überbrachten Stückguttransporte. Dank der hochentwickelten Satellitenkommunikation hielten sämtliche Transport-Konvois ständig Kontakt zur Operationszentrale. Die serbische und kroatische Bevölkerung hat alle Einsätze stets begrüßt und ungehindert passieren lassen, Waffen wurden nie eingesetzt. Angesichts vieler zerstörter Dörfer und unbewohnbar gemachter Landschaften waren die deutschen Soldaten im Einsatz tief betroffen.
Die Kriegsausmaße so direkt mitzuerleben war doch eine viel direktere Wahrnehmung als über die Distanz der berichtenden Medien. Innerhalb der vier Monate Einsatz vor Ort hat die deutsche Einheit - zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Truppen - stolze 374 Transportaufträge durchgeführt. 

Einrichtung von Lazaretts
Ein sogenannter OP-Container wurde mitgeführt, um Minenopfer ärztlich zu versorgen. Kathers großer Respekt galt den zahlreichen Frauen, die in den Feldlazaretts Hilfe leisten. Insgesamt 68 Soldaten der 2640 mussten während des Einsatzes nach Deutschland zurückgeschickt werden. Persönliche Schicksalsschläge waren nicht selten der Grund: unheilbare Krankheiten nächster Angehöriger oder plötzliche Todesfälle im Familienkreis. Ein oder zwei Paare - so Kather - die von Amors Pfeil tief getroffen wurden und so das Krisengebiet vergaßen, mussten auch früher die Rückreise antreten - eine erheiternde Vorstellung, die eine Moment das Bild des ehemaligen Kriegsgebietes erhellte. Sogar ein eigener Sender "Radio Andernach" konnte den Soldaten insgesamt 1348 Grüße von zu Hause in nur vier Monaten übermitteln. Bei musikalischen Grüßen gab es eine Hitparade: Platz 1 - Lemon Tree; Platz 2 - Wish you were here; Platz 3 - Junge komm bald wieder.

Grund zu Optimismus bei der Abreise aus Bosnien-Herzegowina gab es allemal: strahlende Trümmerfrauen in friedlich gewordener Umbebung, stetiger wirtschaftlicher Aufschwung. Ein von deutschen Soldaten angebrachtes Gipfelkreuz ist symbolisch für den Auftrag der deutschen Einheit.

Frieden diesem Land - die deutschen Soldaten 1996